Das Kopfballspiel etablierte sich in England erst in den 1870er Jahren. Ob es am Verbot des Fair Catch im Fußball (association football/soccer) lag, ist nicht belegt. Aber es würde zeitlich passen.
Korrelation? Kausalität? Lässt sich bislang nicht belegen.
Der Fair Catch
Was ist der Fair Catch? Manche von euch kennen ihn aus anderen Football-Spielarten wie American Football. Das ist auch der Grund, weshalb er bis 1871 Teil der Fußballregeln war, den die Spielvarianten hat einen gemeinsamen Ursprung: Football.
An der Privatschule in Rugby war das running game beliebt (mit Tragen des Balles). Die Eton College spielte bewusst (fast) ohne Handspiel, d.h. Ein unbewusstes, unabsichtliches Handspiel war nicht verboten und ebenso das direkte Fangen eines Balles aus der Luft – dem Fair Catch.
Ihr ahnt es, die Schulen in Rugby und Eton standen vor 200 Jahren im Clinch. Im Zuge der Trennung der Football-Spielarten kam es zum Verbot des Fair Catches – in allen großen englischen Regionalverbänden gleichzeitig.
Das Kopfballspiel etabliert sich
Spielberichte zeigen, dass in den 1870er Jahren die Kopfbälle zunahmen. Erst jetzt wurde aus dem Freistoß (free kick = ungehinderter Schuss) keine Belohnung für einen Fair Catch, sondern ein Vorteil für ein zuvor benachteiligtes Team.
Allzu viele Diskussionen über die Konsequenzen von schmerzhaften Kopfballduellen gab es in den vergangenen Jahrzehnten nicht, dafür aber über die Konsequenz von Kopfbällen ganz allgemein. Denn früher musste der Ball aus Leder sein. Die Luftblase wurde mit Lederstücken umhüllt, die mit einem Faden zusammengenäht waren.
Fußball, ein traditionelles Spiel für die kühleren Monate, wurde daher auch bei nass(er)em Wetter gespielt, wodurch sich das Leder und die Fäden mit Wasser vollsogen. Zwar hat sich das vorgeschriebene Gewicht des Balles seit 1937 nicht mehr verändert (410-450 Gramm/14-16 Unzen), aber es gilt zu Beginn des Spieles. So diskutierte man schon vor 100 und mehr Jahren über die Konsequenzen der schwerer geworden Kopfbälle, wollte sie gar verbieten. Dazu kam es aber nie.
Zurück zum erlaubten und unerlaubten Handspiel
In Deutschland gibt es immer wieder Diskussionen durch den Begriff der Absicht, der nicht verändert wurde, obwohl der Text im englischen Original (und letztendlich entscheidenden Wortlaut) verändert wurde:
Von wilfully (1863) zu intentionally (1898) zu deliberately (1995). Handspiel braucht also seit 1995 nicht mehr gewollt (wilfully) oder bewusst absichtlich (intentionally) zu sein, um strafbar zu sein.
Doch es gibt noch ein weiteres Handspiel, dass erlaubt ist, aber an das man selten denkt: Das Handspiel der Torleute.
Es wurde erst in den 1870er Jahren in die Regeln aufgenommen (u.a. London FA 1871, Sheffield FA 1875), danach ein wenig verändert.
Folgende Daten gelten für die London FA, die spätere nationale FA
- 1871-1873: nicht in Regeln festgeschrieben
- 1873-1883: TH “shall not carry the ball”
- 1883-1931: TH “shall not carry the ball”, aber “carry” = “mehr als zwei Schritte”[1]Heißt an dieser Stelle: Mindestens 1883-1931 waren zwei Schritte erlaubt, aber es ist gut möglich, dass es bereits seit 1873 Usus war, nur nicht in den Regeln fixiert werden musste, weil für alle … Continue reading
- 1931-2000: TH darf Ball max. 4 Schritte tragen * seit 2000: TH darf Ball max. 6 Sekunden tragen[2]Die 6 Sekunden sind bekanntlich nicht wörtlich zu nehmen.
Ebenso wurde auch der Bereich, in dem das TH-Handspiel erlaubt ist, geändert:
- vor 1882: nicht in Regeln festgeschrieben
- 1882-1903: in der eigenen Hälfte
- 1903-1912: im eigenen Torraum
- seit 1912: im eigenen Strafraum
Der Bereich ist schon über 100 Jahre konstant. Kein Wunder, dass viele gar nicht mehr daran denken, wenn es um Handspiel geht.
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