Ein Jahrzehnt nach den Spielregeln des Bundes deutsche Fußball-Spieler von 1890/1892 gab es im Verband Berliner Ballspielvereine neue Fußballregeln, die verbandsweit galten. Sie sind wesentlich umfangreicher als die Regeln des Bundes deutscher Fußballspieler und ähneln deutlich den DFB-Regeln von 1903 und damit den Laws of the Game. Ausnahmen sind das Hochwerfen des Schiedsrichterballes statt dem Fallenlassen des Balles und der Einschub, dass ein Strafstoß nur gegeben werden kann, wenn die gegnerische Mannschaft das unfaire Spiel reklamiert.
Das Regelwerk
1 [Spielfeld]
Der Spielraum soll höchstens 180 Meter lang und 90 Meter Breitsein (das Minimum ist 90 Meter mal 45 Meter) und muß an den vier Ecken mit Fahnen (Eckfahnen) abgegrenzt sein. Die Tore bestehen je aus zwei 7¼ Meter auseinander stehenden senkrechten Stangen, 2,40 Meter hoch, welche durch eine Querstange oder auch durch einsstraffe Schnur verbunden sind. Diese Tore stehen in der Mitte der Breitseiten. Eine Linie soll 11-Meter vor jedem der Tore, parallel mit den Mal- oder Torlinien, markiert werden (am einfachsten geschieht dieses durch Aufstellen von Fahnen an den Längsseiten), auch muß die Mitte des Spielplatzes kenntlich gemacht sein und ein Kreis von 18 Meter Durchmesser um denselben abgezeichnet werden.
2 [Seitenwahl und Anstoß]
Die zwei Spielleiter (Capitaine) losen, und wer gewinnt, kann für seine Partei entweder den Abstoß oder das Tor, welches seine Partei zuerst besetzen soll, wählen. Das Spiel wird eröffnet durch einen Stoß nach dem auf der Erde, auf obergenanntem Mittelpunkte des Spielfeldes liegenden Balle. Dieser Stoß muß in der Richtung des feindlichen Males sein. Bis der Abstoß erfolgt ist und der Ball sich mindestens einmal umgedreht hat, darf keiner der gegnerischen Partei näher als bis auf 10 Schritt herankommen, oder die Mitte des Feldes in der Richtung des gegnerischen Males passieren.
3 [Halbzeit und Spielfortsetzung]
Wenn die Hälfte der vereinbarten Spielzeit abgelaufen ist, wird eine kurze Pause (5 bis 10 Minuten) gemacht und die Male gewechselt, und diejenige Partei, welche den Abstoß zum Anfange des Spieles nicht hatte, stößt ab und eröffnet somit die zweite Hälfte des Spiels. Wenn ein Mal erzielt worden ist, erhält die Partei den Abstoß, die das Mal verlor.
4 [Torerzielung]
Ein Mal ist gewonnen, wenn der Ball, ohne vom gegnerischen Spieler getragen oder geworfen zu werden, oder ohne Berührung mit den Händen oder Armen voll und ganz zwischen den beiden senkrechten Stangen und unter der Querstange durch das Mal getrieben worden ist. Sollte der Ball von irgendeiner der Tor- oder Querstangen oder der Grenzfahnen in das Spielfeld zurückfallen, so ist er aus dem Spiel.
5 [Einwurf]
Sollte der Ball über die Seitengrenzlinie hinausgehen, so ist er von einem Spieler der Partei, von der er nicht hinausgestoßen wurde, wieder in den Spielraum hineinzuwerfen. Dieses muß von der Stelle der Seitengrenzlinie (Marklinie) geschehen, an welcher er den Spielplatz verließ. Der betreffende „Einwerfer“ muß sein Gesicht dem Spielplatz zuwenden und den Ball mit beiden Händen über den Kopf in beliebiger Richtung hineinwerfen, und darf nicht eher den Ball stoßen, bis er von einem anderen Spieler berührt worden ist.
6 [Abseits]
Wenn ein Spieler den Ball stößt oder ihn von der Seitenlinie hineinwirft, so ist jeder Spieler seiner eigenen Partei, welcher z. Z. solchen Wurfs oder Stoßes dem feindlichen Male näher steht als der erstgenannte Spieler, „abseits“ (und so aus dem Spiel), wenn nicht im Augenblick des Stoßen oder Hineinwerfend mindestens drei seiner Gegner ihrer Mallinie näher stehen als er. Der Spieler, „welcher aus dem Spiel“ ist, darf den Ball nicht eher stoßen, bis derselbe von einem Gegner berührt worden ist, noch ist es ihm gestattet, einen Gegner in irgendeiner Weise zu hindern, an den Ball heranzukommen. Bei einem Eckball oder Abstoß vom Male, oder wenn der Ball zuletzt von einem Gegner getreten worden, ist niemand aus dem Spiel.
7 [Abstoß und Eckstoß]
Wenn der Ball von einem Spieler der feindlichen Partei über die Mallinie hinausgestoßen ist, muß er von einem der Spieler, hinter dessen Male er getrieben war, binnen 6 Schritt von einer der Goalstangen wieder abgestoßen werden. Sollte aber ein Spieler den Ball hinter seine eigenen Goal-(Mal-)Linie treiben, so hat er für die gegnerische Partei einen Eckball verwirkt. Dieser erfolgt dadurch, daß ein Spieler der genannten gegnerischen Partei den Ball einen Schritt von der nächstgelegenen Eckfahne abstößt. In beiden Fällen müssen die Gegner, bis der Ball abgestoßen worden ist, 6 Schritt von demselben entfernt bleiben.
8 [erlaubtes und unerlaubtes Handspiel]
Kein Spieler, außer dem Torwächter, darf den Ball mit Händen oder Armen berühren, tragen, noch irgendwie hantieren. Dem Torwächter ist es gestattet, seine Hände in Verteidigung seines Tores in seiner Hälfte des Spielraumes zu benutzen. Derselbe darf den Ball stoßen und werfen, aber nicht mehr wie 2 Schritte tragen. Während des Spiels darf der Torwächter gewechselt werden, es dürfen aber nicht 2 Spieler zu gleicher Zeit als Torwächter fungieren, und kein zweiter Spieler darf den Torwächter vertreten, wenn er seinen Platz zeitweise verläßt.
9 [Freistoß]
Ein „Freistoß“ ist ein Stoß nach dem auf der Erde liegenden Ball in beliebiger Richtung, und müssen die Gegner 6 Schritt von dem Balle entfernt bleiben, ausgenommen den Ball, wo sie auf ihrer eigenen Mallinie stehen, hinter welcher sie nicht zurückgehen brauchen. Der Ball muß sich mindestens einmal umdrehen, ehe er im Spiele ist. Von einem Freistoß kann ein Mal ohne Berührung seitens eines zweiten Spielers nicht gestoßen werden (mit der Ausnahme von Regel 13a [Strafstoß]) Der Abstoß und der Eckball sind dieser Regel (Nr. 9) unterworfen.
10 [Unfaires Spiel]
Es ist nicht gestattet, den Gegner absichtlich zu treten, auf ihn zu springen, ihm Bein zu stellen, oder ihn mit den Händen zu halten oder zu stoßen. Kein Spieler darf einen Gegner von hinten anrennen, wenn nicht solcher Gegner zu Zeit das Gesicht der eigenen Mallinie zugewandt hat und derselbe nach Gutachten der Richter oder Schiedsrichter seinem Gegner absichtlich hinderlich ist.
11 [Schiedsrichter und Linienrichter]
Es werden ein Schiedsrichter und zwei Linienmänner gewählt. Es ist die Pflicht des Schiedsrichters, alle Streitpunkte endgültig zu entscheiden und die Regeln aufrechtzuerhalten. Er hat die Pflicht, einen Spieler, der sich irgendwelcher Vergehen gegen die Regeln schuldig macht, zu warnen, seine Partei dafür zu strafen, oder, wo nötig, den betr. Spieler aus dem Spiele auszuschließen. Auch kann er das Spiel zu jeder Zeit aufheben.
Die Linienmänner haben die Pflicht, anzugeben, wann und wo der Ball aus dem Spiele ist, welche Partei den Einwurf, Eckball oder Malstoß hat. Trotzdem geht die Meinung des Schiedsrichters stets vor.
12 [Spiel ist solange im Gange, bis Schiedsrichter entscheidet]
Bei einem Verstoße gegen die Regeln wird weiter gespielt, bis von dem Schiedsrichter die Entscheidung getroffen worden ist.
13 [Schiedsrichterball]
Bei einem, aus irgendwelchem Grunde, zeitweise eintretenden Aufenthalte im Spiele, wo der Ball die Seiten- oder Endgrenzlinie (Mallinie) nicht überschritten hat, wird das Spiel wieder eröffnet, indem der Schiedsrichter den Ball an der Stelle, wo das Spiel unterbrochen wurde, hochwirft. Es darf kein Spieler den Ball stoßen, bis derselbe die Erde berührt hat.
13a [Strafstoß]
Wenn ein Spieler innerhalb 11 Meter von seiner Mallinie absichtlich dem Gegner das Bein stellt, einen Gegner mit den Händen oder Armen festhält oder den Ball mit der Hand oder den Armen berührt, muß der Schiedsrichter bei Reklamation der Gegenpartei einen Freistoß gewährten, welcher 11 Meter vor der Mallinie unter folgenden Bedingungen stattzufinden hat: Alle Spieler beider Parteien, außer dem Abstoßen und dem gegnerischen Torwächter, müssen mindestens 5½ Meter hinter dem Balle stehen, und darf der gegnerische Torwächter nicht mehr als 5½ Meter von seiner Mallinie vorgehen. Der Ball ist beim Abstoß im Spiel, und ein Goal kann von diesem Freistoß erzielt werden.
14 [Wann ein Freistoß zu geben ist]
Bei einem Verstoß gegen Regeln 2, 5, 6, 8, 9, 10 oder 13 ist die nichtschuldige Partei zu einem Freistoß berechtigt, welcher an der Stelle stattfinden muß, wo er verwirkt wurde.
Quelle und zitiert aus: NN: Aus alten Dokumenten. In: Deutsche Schiedsrichter-Zeitung 4 (16.02.1937). S. 48.