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Die allererste Schiedsrichterin im Männerfußball weltweit

Erste Schiedsrichterin

Wow, das ist eine Sensation: eine weibliche Schiedsrichterin, die ein Meisterschaftsspiel im brasilianischen Fußball leitet. Nicht jetzt oder vor 30 Jahren, sondern vor fast 100 Jahren. Die deutsche Zeitung „Echo der Gegenwart“ vom 28. Oktober 1933 berichtet über die vielleicht erste Frau, die nicht nur ein Benefiz- oder Freundschaftsspiel leitete: „Fräulein Colona“ aus Rio de Janiero.

Die erste weibliche Schiedsrichterin und ein Lächeln

Ihr Vorname wird leider nicht genannt, aber wir erfahren aus dem Artikel, dass sie Studentin an der Universität der brasilianischen Hauptstadt und ein angesehenes Mitglied der akademischen „Gesellschaft von Rio“ war.

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Der Artikel erzählt uns, dass – für das Publikum überraschend – eine Frau ein Meisterschaftsspiel zwischen zwei Männermannschaften leitet. Doch Frau Colona ist dem Publikum offenbar bekannt und wird von ihm geschätzt, denn „[s]ie wurde mit größerem Beifall begrüßt als die beliebtesten Stars unter den Fußballspielern“. Sie hat das Glück, auch in sehr schwierigen Situationen das Spiel zu leiten, denn sie lächelt. Lächeln – dieses Wort taucht sehr oft auf und der Autor des Artikels wollte offensichtlich auf die Wirkung des Lächelns hinweisen: Es beruhigt die Menschen.

Zwischen Klischee und Fortschrittlichkeit

Die Zeitung „Echo der Gegenwart“ war eine katholisch orientierte Zeitung aus Aachen (dem heutigen Westdeutschland, nahe der Grenze zu den Niederlanden). Der Anfang des Artikels lässt vermuten, dass er voller arroganter Klischees sein wird, denn der Autor äußert Vorurteile gegenüber den Menschen in Südamerika: sehr emotional, im Eifer des Gefechts handelnd und sich nicht genügend unter Kontrolle habend – „Dort nehmen Begeisterungsausbrüche und Unmutsäußerungen manchmal Formen an, die den ruhigen Europäer in mildes Entsetzen versetzen versetzen können.“

Aber die Befürchtung bewahrheitet sich bei Colona als Person nicht, denn er geht nicht auf ihr Aussehen ein. (Das schaffen heutzutage nicht einmal mehr die meisten Medien!) Das Einzige, was als sexistisch angesehen werden kann, ist, dass sie lächelt (Frauen lächeln, Männer sind ernst). Aber da es keine anderen Überlegungen zu ihrem Aussehen gibt, verstehe ich es als Ausdruck einer offenen, kooperativen und kommunikativen Charaktereigenschaft, also der, die derzeit bei Schiedsrichtern beliebt ist: Sie leiten das Spiel, aber sie geben nicht an. Ganz im Sinne des Ideals des „Anführers“ in New Work, denn ein autoritärer Chef.

Offene Fragen bleiben

Nun bin ich kein Kenner der brasilianischen Fußballgeschichte und ich freue mich über Nachrichten von Experten. Denn es bleiben Fragen unbeantwortet wie:

  • Wer war diese Senhorita Colona? Was machte sie so berühmt? Bekam sie mehr Spiele im brasilianischen Männerfußball? (Ich habe nach ihrem Namen in Verbindung mit „arbitrá“ und „Senhorita“ gesucht, aber nichts Hilfreiches gefunden).
  • Ist die Universität die „PUC-Rio“, die Katholische Universität in Rio de Janiero („Pontifícia Universidade Católica do Rio de Janeiro“)? In welcher Liga oder in welchem Wettbewerb hat sie 1933 gespielt?
  • Hat Colona an der gleichen Universität studiert? Und leitete sie dann ein Meisterschaftsspiel ihrer Institution?
  • Hat der brasilianische Verband nach 1933 noch andere Frauen in Männerspielen eingesetzt?
  • Was für eine „Rio-Gesellschaft“ ist das? Sie hat Mitglieder aus dem akademischen Umfeld, aber was gab es sonst noch?

Der Artikel über die erste weibliche Schiedsrichterin – in voller Länge

Fräulein Schiedsrichter

Brasilien erzieht sein Fußballpublikum

Das Amt des Schiedsrichters beim Fußballspielen wird im allgemeinen nicht als ein ungetrübtes Vergnügen angesehen. Am wenigsten in Südamerika, wo das stürmische Temperament des Publikums und der Spieler ein Fußballmatch stets zu einer höchst aufregenden Angelegenheit machen. Begeisterungsausbrüche und Mißfallenskundgebungen spielen sich dort manchmal in Formen ab, die den ruhigen Europäer in gelindes Gruseln versetzen können. Man wird daher in Überraschung der Zuschauer begreifen, als dieser Tage bei einem entscheidenden Meisterspiel zwischen der Universität Rio und einer Provinzmannschaft der Schiedsrichter auf dem Platz erschien und sich dabei als ein Fräulein Schiedsrichter entpuppte. Die junge Dame war die Universitätsstudentin Fräulein Colona, Brasiliens erste Schiedsrichterin und zugleich ein beliebtes Mitglied der Gesellschaft von Rio. Sie wurde mit größerem Beifall begrüßt als die populärsten Stars unter den Fußballspielern.

Das Spiel begann und bei dieser Gelegenheit zeigte es sich, daß Fräulein Colona ihre Sache nicht schlechter machte, als ihre männlichen Kollegen. Sie lief über den Platz, pfiff und machte warnende Armbewegung, wenn ein Spieler im Begriff war, gegen die Kampfregeln zu verstoßen. Und bei alledem lächelte Fräulein Colona ein reizendes, freundliches Lächeln, bei dessen Anblick aller Grimm und alle Verbissenheit wie Butter in der Sonne dahinschmolzen. Wenn ab und zu einem Spieler dass Temperament durchging, so lächelte Fräulein Colona – und der Bösewicht lächelte zurück. Die gegnerischen Mannschaften hielten großartig Disziplin.

So ging es bis fünf Minuten vor Schluß. Dann wurde es plötzlich kritisch. Ein Verteidiger hatte seinen Gegenspieler im Strafraum „umgelegt“. Nach den Spielregeln soll in diesem Fall ein Elfmeterstoß verhängt werden. In Rio würde ein Schiedsrichter bei einem unentschiedenen Stande zu diesem Zeitpunkt nur dann den Strafstoß verfügen, wenn er mit seinem Leben bereits abgeschlossen hätte. Denn im nächsten Augenblick würden ihn die Anhänger der bestraften Mannschaft unfehlbar lynchen.

Tatsächlich erhob sich ein ungeheurer Lärm auf den Tribünen, als Fräulein Colona das Spiel unterbrach. Das Publikum erhob sich von den Sitzen, einige Spieler umringten erregt die Schiedsrichterin. Fräulein Colona aber stand ruhig da, die Pfeife im Munde und lächelte. Und dann pfiff sie lächeln das Signal zum Elfmeterstoß.

Sie wurde nicht gelyncht, obwohl die Mannschaft von Rio 1:0 verlor. Der brasilianische Verband aber trägt sich mit der Absicht, sein Schiedsrichterkollegium um einige lächelnde Donnas zu bereichern….“

(Quelle: Echo der Gegenwart, 28 Oktober 1933)

First female referee

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