Nachdem häppchenweisen Vergleich verschiedener Regelwerke für Fußball ohne oder mit wenig erlaubtem Handspiel bietet es sich an, die Entwicklung der einzelnen Regeln durchzugehen. Sie sind außerdem schon in den einzelnen Beiträgen zu den Fußballregeln aufgeführt.
Die einzelnen Vergleiche:
Regelwerke vom Ende der 1840er Jahre
Regelwerke vom Ende der 1850er Jahre
Regelwerke vom Anfang der 1860er Jahre
Regelwerke um 1870 – Fußball, Rugby und Vermischtes
Spielfeldmaße
Spielfeldmaße sind überhaupt erst in den 1860er Jahren genannt.
Da sie sich hier recht ähneln, ist davon auszugehen, dass sie sich bereits zuvor angeglichen haben und daher auch ungeschriebene Vereinbarungen vorhanden waren.
Tormaße
Nur in Eton gab es eine Höhenbegrenzung, die bereits 1847 bei 2,13 m lag und sich danach nicht änderte. Alle anderen Regelwerke kannten innerhalb dieser Zeitspanne keine Höhenbegrenzung. Die Breite des Tores variierte, sofern sie überhaupt angegeben war. In Eton blieb sie konstant bei 3,35 m, in Harrow (1858) waren Tore 3,66 m breit, in Cambridge (1863) 4,57 m, bei der FA (1863) sogar 7,32 m.
Es scheint, dass Tore früher wesentlich schmaler waren als heute.
Anzahl der Spieler
Die Anzahl der Spieler ist nun im 1849 entstandenen Regelwerke in Surrey festgelegt. Hier sind es bereits elf Spieler.
Bei den meisten Spielen wurde darauf geachtet, dass die Mannschaften mindestens der Anzahl nach ebenbürtig sind, ähnlich wie auch heute noch auf dem Bolzplatz. Es gab ja keine Wettbewerbe gegen andere Clubs, sondern man spielte innerhalb des Bildungsinstituts oder innerhalb des Vereins gegeneinander. Man brauchte die Spieleranzahl nicht schriftlich festzulegen.
Auswechslungen
Die meisten Regelwerke schweigen über Einwechslungen und Ersatzspieler/innen. Lediglich in Eton wurde in allen Regelwerken festgeschrieben, dass Verletzte oder zu spät anwesende Spieler vom Spielbetrieb ausgeschlossen wurden und nicht ersetzt werden durften.
Das wird auch bei allen anderen fußballspielenden Gruppen so gehandhabt worden sein. Maximal durften zu spät anwesende Spieler/innen noch zum Spiel dazu stoßen.
Schuhwerk
Angaben zum Schuhwerke sind in den FA Rules und in Blackheath vorgeschrieben gewesen, übrigens auch den Laws of Football as played at Rugby School von 1845: Es durfte an den Schuhen nichts herausstehen, vor allem keine Nägel, Eisenteile oder Guttapercha.
Auf das Schuhwerk wurde besonders geachtet. Auch, wenn eine harte Spielweise erlaubt war, war es außer Frage, wie schlimm eine Verletzung durch falsches Schuhwerk wäre. Die härtere Spielweise an manchen Privatschule diente als Mutprobe. Schuhe mit absteckendem Eisen, Metall oder Guttapercha war nichts als Mutwille.
Schiedsrichter
In Eton (1847, 1857, 1862) und in Harrow wurde vorgeschrieben, dass jede Mannschaft einen umpire zu ernennen hat, die im Zweifel auf Anruf endgültige Entscheidungen treffen und deshalb genaue Kenntnis der Spielregeln haben mussten.
Schiedsrichter waren in vielen Vereinen, Schulen und Universitäten verpönt, da Gentlemen ehrenhalber ehrlich sind. Spielberichte zeigen aber, dass es durchaus häufig Diskussionen auf dem Spielfeld gab.
Spieldauer
Die Spieldauer wurde nur in Eton vorgeschrieben, dort sogar die genaue Uhrzeit. Ansonsten finden sich in keinem der Regelwerke Angaben.
Die Spielzeit ist wahrscheinlich vor dem Spiel zwischen den Mannschaften ausgehandelt worden.
Anstoß
Ende der 1850er Jahre findet er sich in noch nicht allen Regelwerken, dafür aber fünf Jahre später: Das Spiel beginnt durch den Anstoß vom Mittelpunkt des Feldes durch einen Schuss oder ein Gedränge (nur in Eton). Weitere Bestimmungen gibt es nur vereinzelt: In Uppingham und bei der FA sind Mindestabstände der Spieler zum Ball vorgeschrieben, nämlich 3,6 m (Uppingham) und 9,15 m (FA).
Dass ein Spiel vom Mittelpunkt des Spielplatzes beginnt, scheint ein geschriebenes oder ungeschriebenes Gesetz gewesen zu sein, da sich (geschrieben) keine Abweichungen finden lassen.
Seitenwahl
Wenn in Regelwerken Angaben zu finden sind, dann wurde die Seitenwahl immer per Münzwurf entschieden: Harrow 1858, Cambridge 1863 und FA 1863.
Sofern man sich nicht mündlich auf etwas verständigte, scheint der Münzwurf die häufigste, vielleicht auch einzige Alternative gewesen zu sein.
Seitenwechsel
Es gab zwei Varianten: Zur Halbzeit (Eton 1847, 1857, 1862 und Cambridge 1863) oder nach jedem Tor (Harrow 1858, FA 1863).
Beide Varianten scheinen verbreitet gewesen zu sein, da ihr Auftreten ausgewogen ist.
Torerzielung
Tor ist, wenn der Ball zwischen den Pfosten ins Toraus geht, da sind sich alle einig. In Harrow (1858) und Sheffield (1858) ist zudem festgelegt, dass nur durch einen Schuss ein Tor erzielt werden kann und an der Shrewsbury School war es üblich, drei Runden zu spielen, bis der Sieger feststand.
In Harrow war es auch erlaubt, ins Tor zu springen. Nach einem Fair Catch konnte man 3 Yards, also 2,74 m, weit springen. Wenn man entsprechend nah am Tor den Ball fing, durfte man statt einem Freistoß mit dem Ball auch ins Tor springen.
Das Runde muss zwischen die Pfosten, das war immer klar.
Abseits
Zunächst gab es nur in Eton ein Abseits, dort sneaking, also schleichend, genannt. Es war bereits 1847 eine offenere Abseitsregel, die Kombinationsfußball erlaubt. Sneaking war, wer sich zwischen Ball und gegnerischem Tor befand, wenn drei oder weniger Gegenspieler/innen sich vor einem befanden.
In Harrow (1858) wurde das Abseits schlicht als behind bezeichnet. Hier wie auch Anfang der 1860er Jahre in Blackheath, Cambridge, Shrewsbury, Uppingham und bei der FA galt die restriktive Abseitsregel, nach der alle zwischen Ball und gegnerischem Tor prinzipiell im Abseits waren.
Die restriktive Abseitsregelung scheint allgemeine Anerkennung zu genießen, weshalb auch in der FA diese zunächst eingeführt wurde.
Unerlaubtes Spiel
Meistens waren Fouls im heutigen Sinne nur unter bestimmten Umständen erlaubt, genauer gesagt Treten oder allgemeines Angreifen (charging). Treten war in Surrey (1849) generell erlaubt. Angreifen war in Cambridge (1863) generell erlaubt, in Blackheath (1862), wenn der Gegner nach einem Fair Catch den Ball tragend läuft und in Eton (1862) und Shrewsbury (1863) nur mit Füßen und Beinen (ein „Handspiel“ war also auch beim Angreifen/Foulen untersagt).
In Eton änderte sich das erlaubte und unerlaubte Spiel mit den Regelwerken. (1847) gar nicht erwähnt, war (1857) kein Angreifen oder anderes Foulen erlaubt (ebenso in Harrow, 1858) und 1862 schließlich alles Foulen, sofern es mit Beinen und Füßen geschah.
Die größte Unterscheidung der verschiedenen Spielformen von Fußball wurde vor allem durch das erlaubte und unerlaubte Spiel deutlich, dass sich voneinander unterschied und auch, wie hier im Falle Etons, auch über die Jahre an einem Ort veränderte.
Handspiel
In den meisten Regelwerken wurde das Handspiel verboten, nämlich Eton (1847), Harrow (1858), FA (1863), Cambridge (1863) und Blackheath (1862), abgesehen vom Fair Catch, sofern er im Regelwerk erlaubt war. Das Fangen des Balles war auch in Eton 1862, Shrewsbury (1863) und Uppingham (1862) erlaubt, die keinen Fair Catch im Regelwerk erwähnten. Ansonsten gab es als erlaubtes Handspiel noch das Stoppen des Balles (Eton, 1857) und das Schlagen des Balles (Sheffield, 1858)
Das Handspiel lässt sich überraschenderweise nicht als so deutlicher Indikator für die Verschiedenartigkeit der Fußballspielvarianten heranziehen, wie es der Name des Spiels, Fuß-Ball, vermuten lässt. Tatsächlich ist das Handspiel bei den meisten nicht erlaubt oder nur unter ganz bestimmten Umständen wie das running in Blackheath oder das Fangen/des Fair Catches.
Freistoß
In der zweiten Jahrhunderthälfte des 19. Jahrhunderts kannten die meisten Regelwerke den Freistoß, wenngleich fast alle als Belohnung, nicht als Strafe gegen eine Mannschaft verhängt. Außer in Eton war der Freistoß ein Platzschuss, der unbehindert und meist auf freie Weise ausgeführt werden durfte. In Eton war es 1857 ein Gedränge, 1862 Jahre auch ein unbehinderter Schuss. Eine Belohnung war es in Harrow (1850er), Cambridge (1863) und bei der FA (1863), jeweils für einen korrekt ausgeführten Fair Catch. Nur in Eton (1850er, 1862) war der Freistoß als Bestrafung für ein Regelvergehen vorgeschrieben – und erst 1872 in den FA Rules.
Der Freistoß hat offenbar im 19. Jahrhundert einen Bedeutungswandel unternommen, parallel mit der veränderten Sozialisierung des Fußballs. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts war Fußball eine Möglichkeit, Söhne von Gentlemen bestimmte Verhaltensweisen anzuerziehen und eine Verhaltensweise war, ehrlich zu sein und Demut bei Siegen zu zeigen. Zur Mitte des Jahrhunderts, als der Sport auch außerhalb der Privatschulen Fuß fasste, geriet diese Weise immer mehr in den Hintergrund, das Gewinnen, immer mehr in den Vordergrund. Das zeigt auch das englische Wort record, dass sich zum Teekesselchen entwickelte. Ursprünglich hieß es nur Aufzeichnen. Da aber mehr und mehr danach gestrebt wurde, diese Aufzeichnungen zu überbieten, erhielt es als weitere Bedeutung auch die Bedeutung, die direkt ins Deutsche übersetzt wurde, Rekorde.
Einwurf
Wenn der Ball ins Seitenaus ging, gab es entweder einen Einwurf oder einen Einschuss – die Aufteilung ist hier sehr ausgeglichen. Sofern es die Regel bestimmt, wird dieser Wurf oder Schuss fast überall durch den oder die erste/n Berührer/in des Balles ausgeführt und zwar nach manchen Regelwerke an der Stelle der Berührung, bei anderen an der Stelle, an der der Balls ins Seitenaus ging. Eine Ausnahme ist hier nur seinerseits Uppingham, wo der Ball von der Person wieder ins Spielfeld geschossen wurde, die ihn auch ins Seitenaus bugsiert hatte, und andererseits Eton, wo es im Wechsel zu jedem Einwurf von der Seitenlinie ein Gedränge gegenüber der Stelle gab, ab dem der Ball ins Seitenaus ging. Ein weitere Bestimmung finden sich in den Sheffield FC Rules (Wurf mindestens 5,5 m weit ins Feld).
Es fällt auf, dass vor den 1870er Jahren es bei Einwürfen immer darum ging, wer als erstes den Ball berührte. Vermutlich wird deshalb im Englischen das Seitenaus als touch bezeichnet. Vielleicht auch, weil man hier den Ball mit der Hand berühren durfte, nicht aber im Feld. Für manchen ist es vielleicht überraschend, dass die Erwähnung eines Einschusses recht ausgewogen zum heute üblichen Einwurf zu finden ist.
Abstoß / Eckstoß
Im Gegensatz zum Seitenaus war die Spielfortsetzung, nachdem der Ball nicht zwischen den Torpfosten ins Toraus gegangen war, nicht so eindeutig. Die einzige Gemeinsamkeit: Es war immer ein unbehinderter Schuss, also ein Freistoß. Es gab Unterschiede, wer den Ball wieder auf das Spielfeld brachte und von wo. Soweit überhaupt erwähnt, war das war mal der erste Berührer des Balls im Toraus, zweimal einer der Mannschaft, der das Tor gehörte und einmal jemand der gegnerischen Mannschaft. Und zwar entweder von der Torlinie (2x) oder 22,86 m hinter dem Tor (2x) oder 18,29 m hinter dem Tor. In Shrewsbury (1863) hatte mal wahlweise auch die Möglichkeit, einen Seilzug zu spielen, so wurde es genannt, wenn man den Ball in die Luft warf und ihn volley auf das Spielfeld schoss.
In Eton gab es wie beim Einwurf abwechselnd einen Einwurf von der Stelle, wo er ins Aus ging oder ein Gedränge auf der gegenüberliegenden Seite. Außerdem gab es hier noch eine Besonderheit. In einem gewissen Abstand standen zwischen Torpfosten und Eckpfosten noch Rougestangen, auf jeder Seite eine. Ging der Ball zwischen ihnen und Torpfosten ins Aus, war der Ball rougeable. (Was ist ein Rouge?)
Bei der FA war auch entscheidend, wer als erstes den Ball im Toraus berührte, aber hier unterschied man die Spielfortsetzung je nachdem, zu welcher Mannschaft dieser Berührende gehörte. Gehörte seiner Mannschaft das Tor, so gab es einen Freistoß vom Torpfosten. Gehörte er zur angreifenden Mannschaft, gab es einen Freistoß 13,72 m hinter dem gegenüberliegenden Tor und der Vorgabe, dass die andere Mannschaft erst dann aus dem Toraus aufs Spielfeld laufen wurde, wenn der Ball geschossen worden war.
Bei der Spielweise in der FA zeigen sich schon die Vorläufer des heutigen Abstoßes und Eckstoßes noch deutlicher als bei den anderen Varianten.
Soweit der knappe Vergleich der einiger Regelwerke für Fußball ohne oder mit wenig erlaubtem Handspiel für den Zeitraum von 1847 bis 1863.
Pingback: Vergleich: Regelwerke vom Ende der 1840er Jahre -